Erster Verhandlungstag der Klage gegen die Ingewahrsamnahmen nach dem Kiss-In am 2.5.08


Am 28.01.2010 wurde im Bremer Verwaltungsgericht die Klage von zwei
Anti-Christival-Aktivist_innen gegen die Stadt Bremen verhandelt. Es
ging um den Polizeieinsatz und die Ingewahrsamnahmen am 2.5.2008 auf
dem Bremer Marktplatz, wo eine kleine Gruppe queer-feministischer
Aktivist_innen nach dem gelungenen Kiss-In in der Martini-Gemeinde
irritierende Präsenz zeigen wollten, mit Erdbeersekt, geschlechtlich
uneindeutigem Auftreten und Transpi, um den heterosexistischen Inhalten
des Christivals etwas entgegenzusetzen. Damals wurden sie direkt massiv
von der Polizei angegangen, gekesselt, geschubst und geschlagen; zwei
von Ihnen wurden in Gewahrsam genommen. Die Polizist_innen reagierten
völlig überzogen und unorganisiert – es gab weder eine_n
Einsatzleiter_in, noch die Möglichkeit eine Spontandemo anzumelden,
stattdessen keine Ansprechperson und rigoros eskalatives Verhalten.
Das
Vorgehen der Bremer Polizei gegen Protestierende während des
Christivals hatte offensichtlich das Ziel, die kritischen Aktionen in
der Öffentlichkeit unsichtbar zu machen.

Zu der
Verhandlung kamen viele (ca. 75) solidarische Menschen zur
Unterstützung der Kläger_innen ab 11 Uhr morgens ins Verwaltungsgericht
– sogar so viele, dass nur 2/3 in den Gerichtssaal passten. Die
Wartenden harrten teilweise solange aus, bis nach der Mittagspause in
einen größeren Saal umgezogen wurde, in dem schließlich alle
Interessierten Platz fanden. An dieser Stelle noch mal ein riesiges
Dankeschön an eure Geduld und Durchhaltevermögen!

Zum
Prozessverlauf: Es wurde mit der „Feststellung des Sachverhalts“
begonnen, dazu wurden die beiden Kläger_innen angehört. Dies dauerte
den ganzen Gerichtstag bis 16.40 Uhr. Die Aussagen der Kläger_innen
widersprachen in wichtigen Punkten den Aussagen der Polizist_innen in
den Akten. Das Gericht ist nach den Aussagen der Kläger_innen der
Meinung, dass geprüft werden muss, ob die Eingriffe in die Grundrechte
der beiden Kläger_innen rechtmäßig waren oder nicht. Grundsätzlich ist
das Gericht also der Auffassung, dass die Klagen statthaft sind, da
durchaus die Möglichkeit besteht, die Rechtswidrigkeit der
 Ingewahrsamnahmen und Durchsuchungen festzustellen.
Das Gericht
muss dazu klären, ob es sich bei der Protestaktion um eine Versammlung
handelte oder nicht. Die Aufklärung des Sachverhalts soll fortgesetzt
werden. Dafür wird ein weiterer Verhandlungstermin angesetzt, zu dem
sowohl Zeug_innen der Kläger_innenseite als auch Polizist_innen befragt
werden sollen.
Der nächste Verhandlungstermin wird voraussichtlich erst im Sommer stattfinden.

Wir
haben nicht damit gerechnet, dass die Positionen der Kläger_innen
immerhin so ernst genommen würden, dass darüber hinaus noch weitere
Zeug_innen dazu angehört werden.
Üblicherweise werden solche
Klagen schnell abgewiegelt. Es ist in diesem System angelegt, dass
Widerstand kriminalisiert, Randgruppen und von der Norm abweichende
Personen von der Polizei gegängelt, misshandelt und manchmal sogar
umgebracht werden, ohne dass die Täter_innen Verantwortung übernehmen
müssen. Willkürliche Polizeigewalt wird mindestens gebilligt und wird
häufig bewusst als Warnung an all diejenigen, die widerspenstig sind,
sich nicht einfügen können oder wollen, eingesetzt. Wir sind nicht der
Auffassung, dass irgendwelche Polizei- oder Staatsreformen daran etwas
ändern würden, sondern, dass der Staat an sich eine gewaltförmige
Institution ist, die es abzuschaffen gilt!
Die gewaltförmige
Funktionsweise des Staates aufs Neue offen zu legen und zum
gesellschaftlichen Thema zu machen, ist Ziel unserer Arbeit. Auch
Menschen in eher privilegierteren Positionen – mit finanziellen und
sozialen Ressourcen – können innerhalb des herrschenden Systems die
Hegemonie zwischen Staatsdiener_in und einfacher Bürger_in nicht
durchbrechen. Personen mit einer weniger privilegierten
Ausgangssituation ist es meist überhaupt nicht möglich, sich auf
juristischem Weg zu wehren.

Anlässlich der Verhandlung fand eine
Kundgebung statt, um Kritik an rassistischer, sexistischer und
homophober Polizeigewalt, staatlicher Repression, Staat an sich und
(fundamentalistischen) evangelikalen Christ_innen auf die Strasse zu
tragen.
Um 16 Uhr versammelten sich ca. 80 Menschen auf dem Bremer
Marktplatz und zeigten ihre Solidarität mit den Betroffenen von
Polizeigewalt. Es gab verschiedene Redebeiträge und Musik. Dabei ging
es auch darum, sich den öffentlichen Raum als Queers, Perverse oder
anders marginalisierte Personen anzueignen und dem gesellschaftlichen
Mainstream etwas entgegenzusetzen.

mehr wissen? weitere Artikel

www.25antirep.noblogs.org

 oder www.frauenseiten.bremen.de/sixcms/detail.php?template=12_texte_d&id=14047430&_hauptid=&_subid=3639773

www.de.indymedia.org

This entry was posted in Christivalprozess. Bookmark the permalink.